Ich habe das Gefühl, dass ich mich häufig anpasse oder mich zurückhalte. Auch fühle ich mich emotional abhängig und kann es nicht ertragen, wenn mein Lieblingsmensch mich im schlechten Licht sieht. So will ich nicht mehr Beziehung führen, was kann ich tun?
Wenn wir uns in eine Liebesbeziehung begeben, treten wir eine Reise durch verschiedene Phasen an, auf dieser wir viel lernen können. Vor allem lernen wir mit emotionalen Abhängigkeiten in der Paarbeziehung umzugehen und das ist Arbeit. Nicht alle Paare lassen sich auf diese Prozesse ein. Wie die Beziehungsmenschen mit emotionaler Abhängigkeit umgehen und welche Entwicklung eine Paarbeziehung durchlebt ist vielen nicht bekannt, kann aber helfen mit den Herausforderungen umzugehen und sich selbst und die Beziehung zu entwickeln. Aus diesem Grund möchte ich sie hier skizzieren.
Die erste Phase ist die Verliebtheitsphase. Da geben sich die Liebenden viel Anerkennung, Bestätigung und Sicherheit. Es fühlt sich toll an. Die Phase ist nach 6 – 18 Monaten irgendwann zu Ende und dann sehen die Beziehungsmenschen die Bedürfnisse des Gegenübers und merken, dass es nicht die gleichen wie ihre sind. Dann treten meist Spannungen auf, denn die Abhängigkeit vom Verhalten des Anderen und die aufgebaute Nähe wird spürbar und das ist schmerzhaft. Die daraus resultierende Verunsicherung ist häufig schwer auszuhalten und es wird versucht, die Spannung zu reduzieren. Zum Beispiel, indem ich dem Gegenüber entgegenkomme und mich auf Dinge einlasse, die ich nicht möchte.
Es folgt die zweite Phase – die Phase der Enttäuschung: «Der Lieblingsmensch ist nicht mehr so, wie es am Anfang war. Ich werde nicht mehr verstanden.» Die Beiden wollen, dass es wieder so wird wie zu Beginn. Sie tun vieles um das Alte wieder herzustellen, werden aber zunehmend frustriert, denn es funktioniert nicht. In dieser nächsten und dritten Phase wird versucht, das Gegenüber zu verändern: «Gib endlich nach, und mach es so, wie ich es brauche. Dann passt es wieder für mich.» Die emotionale Abhängigkeit vom anderen wird hier sehr deutlich. Es wird mit verschiedenen Mitteln versucht, das zu bekommen, was ich vom anderen brauche. Nur wenn ich bekomme was ich brauche, dann kann ich wieder ruhiger werden. Es wird also vehement versucht, das Gegenüber zum Nachgeben zu bewegen. Es kann zu starken Konflikten kommen. Vorwurf, Angriff, Rechtfertigung und Rückzug sind sehr häufig. Es bedeutet für die Beziehungsmenschen oft eine grosse Anstrengung. Hier kommt viel Leid auf.
Danach folgt die Phase der Distanzierung. Der Blick richtet sich auf das Eigene. Wer bin ich, unabhängig von dir? Was macht mich aus? Wenn das die Beziehung immer noch da ist, dann kommt jetzt die Phase der Reflexion. Ein Nachdenken, wie kann ich den eigenen inneren Kämpfen auf die Spur kommen, um auch zu merken, dass diese mehr mit mir selbst zu tun haben als mit meinem Gegenüber. Nach diesem Prozess kann sich das Paar möglicherweise anders begegnen, das Anders sein des Gegenübers wird respektiert. Die Beiden betrachten sich eher neugierig und interessiert als mit Wut und Ärger. Und auch in konflikthaften Situationen herrscht Wohlwollen. Eine starke Kollaboration ist spürbar.
Katrin Lukas, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich, Beratungsstelle Bülach
Dieser Artikel wurde im HAZ-Magazin unter der Rubrik «BEZIEHUNGSFRAGEN» am 26.05.23 veröffentlicht.
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