Was ist genau gemeint mit Selbstwert?
Selbstwert wird oft als Selbstwertgefühl bezeichnet und bezieht sich auf die Einschätzung des eigenen Selbstbildes, also auf die Gefühle, Gedanken und Einstellungen gegenüber sich selbst. Obwohl es nicht direkt ein Gefühl im herkömmlichen Sinne ist, werden Emotionen häufig mit dem Selbstwert in Verbindung gebracht. Zum Beispiel erleben Menschen mit niedrigem Selbstwertgefühl oft Gefühle von Hass und Ärger gegenüber sich selbst. Der Selbstwert von Menschen wird von verschiedenen Lebensbereichen beeinflusst, darunter Familie, Beziehung, Sexualität, Freundeskreis, Leistungen im Studium und Beruf, persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten, Aussehen, Religiosität, Spiritualität usw. Welche Bereiche
besonders wichtig sind und den persönlichen Selbstwert beeinflussen, variiert von Person zu Person. Der Selbstwert hat einen entscheidenden Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit.
Was ist ein gesunder Selbstwert?
Viele Menschen streben nach einem gesunden Selbstwertgefühl, indem sie sich selbst akzeptieren und schätzen, unabhängig von ihren Leistungen und Erfolgen. Dabei gelingt es ihnen, auch zu ihren Schwächen und Misserfolgen zu stehen. Ein ausgeprägter Durchhaltewillen zeichnet sie aus, ebenso wie das Bewusstsein um ihre eigenen Grenzen. Sie empfinden sich als sozial kompetent und erleben positive Bindungen in verschiedenen Beziehungen.
Welche Rolle spielt der Selbstwert in Beziehungen?
In einer Beziehung tragen beide Partner bewusst oder unbewusst dazu bei, wie sie über sich selbst denken, was sie von sich halten und sich zutrauen. Der Selbstwert eines Partners beeinflusst massgeblich das Verhalten gegenüber dem anderen. Wenn beispielsweise der Glaube besteht, nicht attraktiv zu sein, zeigt sich dies möglicherweise in häufigen Fragen zum eigenen Äusseren. Dadurch kann der Selbstwert auch die Gedanken, Gefühle und Reaktionen des Partners beeinflussen. Das ständige Nachfragen könnte vom Partner als belastend empfunden werden, was sich in gereizten Reaktionen äussern kann. Der Selbstwert wird somit zu einer bedeutenden Komponente für die Dynamik in jeder Beziehung.
Ist mangelnder Selbstwert ein Beziehungskiller – Stichwort toxische Beziehung?
Bei einem niedrigen Selbstwert erleben Personen oft Hass, Ärger, Trauer, Angst und Scham gegenüber sich selbst. Selbstkritik dominiert ihr Denken, und Fehler werden hauptsächlich als persönliche Defizite betrachtet. Das führt dazu, dass sie sich als minderwertig und wertlos empfinden. Ein geringes Selbstwertgefühl kann sowohl Ursache als auch Folge von erlebten Misserfolgen und dem Gefühl der Ablehnung und Nichtliebe in einer Partnerschaft sein. Zu Beginn einer Beziehung, während der Verliebtheitsphase, erfahren Paare oft, dass sie vom Partner akzeptiert werden, was ein wertvolles Gefühl vermittelt. Auch Menschen mit niedrigem Selbstwert können diese Erfahrung machen. Schwierig wird es jedoch, wenn dieses Gefühl der Akzeptanz und des Wertvollseins durch die andere Person ausbleibt. Das führt zu innerer Not, da das Bedürfnis, geliebt und akzeptiert zu werden, grundlegend für unser Wohlbefinden ist. Im Bestreben, ihren eigenen Wert von der Lieblingsperson bestätigt zu bekommen, greifen Menschen zu verschiedenen Strategien, die auch Manipulation und Beeinflussung einschliessen können. Dies reicht von absichtlichem Weinen bis zur Schaffung von Abhängigkeits- oder Überlegenheitsverhältnissen.
Wie kann man aktiv an der Verbesserung des Selbstwerts arbeiten? Kann ich das gemeinsam als Paar tun?
Es erfordert einen langen Atem und Geduld, am Selbstwert zu arbeiten, da innere Einstellungen, Glaubenssätze und Verhaltensmuster nicht sofort veränderbar sind. Die Stabilität der vier Säulen des Selbstwertes kann jedoch gezielt verbessert werden. Die erste Säule ist die «Selbstakzeptanz», bei der Achtung, Selbstliebe und Wertschätzung der eigenen Person unabhängig von Leistungen, Fähigkeiten und sozialen Erfolgen entwickelt werden können. Dies schliesst auch die Akzeptanz von negativen Aspekten des Selbst mit ein. Die zweite Säule bezieht sich auf das «Selbstvertrauen». Dabei geht es um eine positive Einstellung zu den eigenen Fähigkeiten und Leistungen, was auch das Durchhaltevermögen sowie die Fähigkeit, von etwas loslassen zu können – also das Bewusstsein um die eigenen Grenzen – einschliesst. Auch in diesem Bereich besteht für Menschen die Möglichkeit, positive Veränderungen herbeizuführen. Die dritte Säule umfasst die «soziale Kompetenz». Hierbei geht es um die Fähigkeit, positive Kontakte zu anderen Menschen zu erleben und das Gefühl zu haben, auch schwierigen sozialen Situationen gewachsen zu sein. Die vierte Säule, das «soziale Netz», beschreibt das Eingebundensein in positive soziale Beziehungen. Gemeinsam bilden alle diese Säulen den Selbstwert, also den Wert, den eine Person sich selbst gegenüber empfindet. Es erfordert eine kontinuierliche Selbstreflexion, sowohl im Umgang mit der Partnerperson als auch im sozialen Umfeld. In diesen Interaktionen testet man sich selbst und gewinnt wertvolle Erkenntnisse aus den erlebten Situationen. Innerhalb der Partnerschaft können Glaubenssätze und Reaktionen aufeinander hinterfragt werden, wobei ehrliche Rückmeldungen unterstützend wirken. Ein externer Blick, beispielsweise im Rahmen einer Paarberatung, kann die Reflexion zusätzlich fördern. Ein Beispiel: «Warum denke ich sofort, dass meine Partnerin mich langweilig findet, wenn sie sich mit ihrer besten Freundin trifft, anstatt mit mir Warum trifft mich das und welche Bedürfnisse der Anerkennung soll hier meine Partnerin befriedigen. Übertrage ich die Verantwortung und bin verärgert auf sie, wenn sie mir das nicht gibt? Oder möchte ich selbst die Verantwortung übernehmen und meinen Selbstwert stärken, so dass dieser nicht mehr so stark von meiner Partnerin abhängig ist? Dies trägt positiv zu unserer Beziehung bei, ich fühle mich wohler und authentischer. Möglicherweise werde ich dadurch auch interessanter und attraktiver für meine Partnerin».
Katrin Lukas und Werner Klumpp, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich, Beratungsstelle Bülach
Dieser Artikel wurde im Stadt-Anzeiger Opfikon Glattbrugg unter der Rubrik «DER GUTE RAT» am 29.02.24 veröffentlicht.