Seit drei Jahren führen meine Freundin und ich eine Fernbeziehung; wir sahen uns nur an den Wochenenden und in den gemeinsa­men Ferien. Vor 6 Monaten hat sie einen Job in der Schweiz gefunden und ist zu mir gezogen. Damit ist ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen, weil wir die Pendlerei recht satt hatten, und uns vorstellen konnten, eine Familie zu gründen. Seit wir nun zusammenwohnen, haben wir regelmässig Streit und meine Freundin nörgelt häufig an mir herum. Aus ihrer Sicht bin ich unordentlich, mache generell zu wenig im Haus­halt und bin zuviel ohne sie unterwegs. Langsam frage ich mich, ob wir wirklich zusammen passen?

Gemeinsam oder weiter allein? Die Frage nach dem Zusammenziehen stellt sich den meisten Paaren früher oder später; gut 80 % der liierten Personen wohnen zusam­men.

Zusammenziehen bedeutet einen Schritt, der viel Neues mit sich bringt. Ein Grossteil der Privatsphäre entfällt, man lernt den/die PartnerIn besser kennen und entdeckt auch Ecken und Kanten, die bislang nicht auffielen. Grundsätzlich empfiehlt es sich, die gemeinsame Wohnung zusammen zu gestalten, sodass beide sich einbringen können. Der/die Zugezogene bleibt sonst gefühlt immer der Gast. Ist dies vielleicht auch bei Ihrer Freundin der Fall? Falls nicht: Können Sie sich vorstellen, Ihre Wohnung «neu» einzurichten und die persönlichen Sachen Ihrer Freundin zu integrieren?

Sie haben doch ein paar Jahre Fernbeziehung bewältigt und sind es sich gewohnt, dass Sie jeweils an den Wochenenden Zeit miteinander hatten, vermutlich jede Minute zusammen waren. Werktags waren Sie aber jeweils als «Single» unterwegs  und mussten gegenseitig keine Rücksicht nehmen. Ihre Partnerin hat ihr gewohntes Umfeld, alle ihre FreundInnen und Bekannte zurückgelassen und muss sich nun hier neu orientieren. Vermisst sie ihre alte Umgebung? Haben Sie darüber geredet, wie Sie beide Ihre eigenen Hobbies und Freundschaften ausserhalb der Beziehung pflegen wollen?

Es ist beim Zusammenziehen normal, dass Konflikte entstehen, auch weil unterschiedliche Bedürfnisse erst jetzt deutlich werden. Neu braucht es Rückzugsmöglichkeiten, aber auch gemeinsame Paarzeit im Alltag. Laden Sie Ihre Freundin ein für ein Gespräch und ziehen Sie Bilanz der ersten 6 Monate. Was läuft gut? Welche Zeiten im Alltag wollen Sie als Paar gestalten? Wie wollen Sie die Hausarbeiten aufteilen? Wo hat es noch Verbesserungspotential? Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen!

Daniela Wurz, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich, Beratungsstelle Bülach

Dieser Artikel wurde am 24.06.21 im Stadtanzeiger Opfikon-Glattbrugg veröffentlich.