Herausforderungen für Internet-Liebespaare über 50.

Haben Internet Beziehungen bei der älteren Generation immer noch etwas Schambehaftetes?
Viktor Arheit: Ja, das ist so. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wo und wie man sich kennenlernt. Die Plattformen im Internet sind heutzutage ganz normale Räume.

Wo liegt das Ungewohnte?
Das schriftliche Chatten ersetzt die Realität nicht. Und die kommt. Letztlich beginnt die Wirklichkeit eben doch dann, wenn man sich begegnet, wenn man/frau die andere Person leibhaftig vor sich hat.

Was passiert denn, wenn die konkrete Begegnung stattfindet?
Dieser Moment ist sicher sehr besonders – weil man ja nicht ohne Erwartungen an diese Begegnung herangehen kann. Man hat sich schon virtuell getroffen, und aufgrund von Worten und einem Foto ist eine Vorstellung der anderen Person entstanden. Diese Vorstellung wird bei der Live-Begegnung korrigiert: entweder positiv oder eher ernüchternd.

Ist es schwer, sich mit über 50 nochmals auf eine Beziehung einzulassen?
Es ist anspruchsvoll, weil man realistischer ist. Man kennt sich selber und man trägt auch Erfahrungen in sich. Man sieht schneller die schwierigen Seiten des Gegenübers und wiegt die Störfaktoren stärker. Sicher braucht es eine innere Faszination füreinander. Es muss irgendwo ein Funke springen.

Es geht wohl darum, auch zu Kompromissen bereit sein.
Das ist so. Aber es stellt sich auch die Frage: «Wie viel geht? Wie viel bin ich bereit einzugehen?» Zu viele Kompromisse werden auf die Dauer schwierig.

Haben Sie einen Ratschlag fürs Vorgehen?
Es ist sinnvoll, eine neue Beziehung sorgsam und bewusst anzugehen und sich Zeit zu lassen. Dennoch soll auch die Romanze Platz haben. Wichtig ist aber vor allem, dass sie und er selber wissen, was sie sich von der Beziehung erhoffen und was sie bereit sind dafür aufzugeben.

Und im Zweifelsfall?
Dafür gibt es kein Rezept. Sicher ist es gut, dass Bauchgefühl ernst zu nehmen. Ich würde zu zwei Vorgehen raten. Einerseits: «Klicken Sie nicht zu schnell einen Partner/eine Partnerin weg.» Andererseits: «Haben Sie bei einem unguten Gefühl den Mut, den Kontakt zu beenden.»

Dieser Bericht ist im Anzeiger Bezirk Affoltern erschienen.