Meine Partnerin und ich sind schon lange zusammen und beide berufstätig. Ich arbeite Vollzeit (100%) und sie Teilzeit (60%), und wir haben ein Kind. Ich bin der Meinung, dass wir unser Geld zu gleichen Teilen, also jeweils 50/50 von unserem Einkommen, auf unser Familienkonto einzahlen sollten. Meine Frau hingegen bevorzugt eine prozentuale Einzahlung entsprechend unserem Arbeitspensum. Dies führt immer wieder zu heftigen Streitigkeiten zwischen uns, und mittlerweile haben wir beide aufgegeben, eine Lösung zu finden.
Manchmal verbeissen sich Paare in Lösungsversuche, die nur Schwarz Weiss-Antworten zulassen, als gäbe es nur eine einzige richtige Möglichkeit. Oder sie bleiben zu sachlich und versuchen, ihren Standpunkt durch Argumente zu stärken wie: «Das machen andere auch so», «Das wäre fair» oder «Das wäre mathematisch gesehen richtig». Manch mal unterstellen sich Partner*innen auch schlechte Absichten: «Dir ist egal, was ich will!» Um eine entspanntere Gesprächsbasis zu ermöglichen, könntet ihr euch zunächst als Paar einen Überblick über eure unter schiedlichen Bedürfnisse verschaffen. Warum ist es mir so wichtig, dass wir die Einzahlungen zu gleichen Teilen oder proportional gestalten? Was steckt wirklich dahinter? Oftmals geht es um Themen wie das Zeigen von Ver trauen: «Ich will keine genaue Buchführung machen, weil es für mich ein Zeichen des Vertrauens ist». Oder es betrifft das Gefühl von Sicherheit: «Wenn wir mehr Geld einzahlen, fühle ich mich sicherer, und wir haben ein finanzielles Polster für den Notfall». Manche suchen auch das Gefühl von Freiheit: «Wenn ich mehr Geld zur Verfügung habe, kann ich selbst entscheiden, was ich damit machen möchte». Das Verstehen dieser Bedürfnisse schafft Orientierung und oft auch mehr Verständnis füreinander. Ihr könntet also zunächst eure jeweiligen Bedürfnisse entschlüsseln. Um diese noch besser zu verstehen, könntet ihr auch zusammen darüber sprechen, wie die eigenen Eltern mit Geld umgegangen sind und welche Werte in Bezug auf Geld vorhanden waren bzw. sind.
Bevor ihr euch auf eine Lösung einigt, wäre es ratsam, von der aktuellen Lösung abzurücken und stattdessen offen nach neuen Ansätzen zu suchen. Probiert euch zusammen ergebnisoffen an das Thema anzunähern und die Scheuklappen auf zumachen, für alles, was möglich ist. Schreibt gemeinsam auf, was eure Bedürfnisse bezüglich der Einzahlungen auf das Familienkonto sind. Anschliessend notiert ihr Ideen, wie ihr die Situation gemeinsam lösen könntet. Die Ideen dürfen auch unkonventionell sein und zusätzliche Möglichkeiten enthalten, um die Bedürfnisse zu erfüllen, beispielsweise könntet ihr neben dem Familienkonto ein Sparkonto oder ein «Taschengeldkonto» eröffnen.
Oder ihr könntet jeden Monat die Einzahlungsmethode wechseln oder eine Person könnte mehr oder weniger arbeiten usw. Wenn beiden keine Ideen mehr einfallen, geht ihr die Möglichkeiten gemeinsam durch und markiert diejenigen, die für euch als Lösung in Frage kommen. Auch Teillösungen dürfen markiert werden. Um einen Kompromiss einzugehen, könntet ihr euch fragen: Was brauche ich, um meinem/meiner Partner*in entgegenzukommen? Und was kann ich geben, dass mein*e Partner*in mir entgegenkommen kann? Wie könnten beide Bedürfnisse beantwortet werden? Überdenkt beide die Antworten und Bedürfnisse, die ihr gemeinsam erarbeitet habt. Es ist ein Prozess, bei dem Zeit unsere Verbündete ist. Manchmal ist auch schon eine gute Portion Schlaf hilfreich, um die verhärteten Positionen etwas aufzuweichen. Am Ende ist ein guter Kompromiss oft dann erreicht, wenn beide zwar nicht ganz zufrieden sind, aber hoffentlich eine Lösung finden, mit der beide gut leben können.
David Siegenthaler, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Uster
Dieser Artikel wurde im HAZ-Magazin unter der Rubrik «BEZIEHUNGSFRAGEN» am 20.09.24 veröffentlicht.