Hallo, mein Partner und ich (beide 38) sind seit über neun Jahren in einer festen und glücklichen Beziehung. Wir verbringen viel Zeit miteinander und haben gute Gespräche. Vor einer Woche fragte mich mein Partner, ob wir die Beziehung öffnen könnten, um Sexualität auch mal mit anderen auszuprobieren. Zuerst war ich erstaunt und perplex, aber er erklärte, dass unser Sexleben gut sei (was ich übrigens auch bestätigen kann!). Er möchte jedoch etwas Abwechslung erleben und andere Körper kennen lernen. Nach reichlicher Überlegung könnte ich mir nun auch vorstellen, mitzumachen. Ich frage mich jedoch, wie wir das am besten angehen. 

Das klingt schon einmal nach einer guten Voraussetzung für die Öffnung der Beziehung. Es scheint, dass eure Beziehung von viel Austausch und einer erfüllenden Sexualität geprägt ist. Häufig wird Sex mit anderen aus zwei Gründen gesucht: als Ersatz oder Zusatz. In eurem Fall wirkt es eher wie einen Zusatz, da eure eigene Beziehung und Sexualität bereits befriedigend ist. Wenn die Beziehung oder das Sexleben bereits belastet wären, würde ich empfehlen, erst daran zu arbeiten.

Die Öffnung der Beziehung erfordert vorher und auch nach Treffen mit anderen viel Austausch über persönliche Empfindungen. Im Vordergrund könnten folgende Themen stehen:

  • Verhütung: Wie soll sie geregelt werden?
  • Trefforte: Wo darf man andere Personen treffen?
  • Kommunikation: Wie viel Austausch über Telefon, Chat etc. ist erlaubt?
  • Grenzen und Tabus: Was darf mit anderen erlebt werden, was nicht?
  • Personenauswahl: Welche Art von Menschen kommen infrage?
  • Häufigkeit: Wie oft dürfen Treffen mit anderen stattfinden?
  • Nachbesprechungen: Was möchtet ihr danach einander mitteilen, was lieber nicht?

Es gibt also einiges zu besprechen, wobei Transparenz und Ehrlichkeit entscheidend sind. Haltet eure Abmachungen schriftlich fest, sodass klar ist, was für euch beide passt. Die Formulierungen sollten dabei möglichst konkret und verständlich sein.

Geht am Anfang kleine Schritte und versucht nicht, gleich alles auf einmal auszuprobieren. Beginnt langsam, z.B. mit wenig Intimität oder einem lockeren Treffen mit anderen, und schaut, wie sich das für euch anfühlt. Ein hilfreiches Werkzeug kann die „Ampel-Methode“ sein: Schreibt auf Karten, was ihr euch vorstellen könnt. Dann teilt diese Wünsche in „grün“, „orange“ und „rot“ ein. Rot steht für absolute Grenzen, die nicht überschritten werden sollen. Grün steht für Dinge, die sich beide gut vorstellen können. Sprecht über die Überschneidungen im grünen Bereich – das könnte ein Ausgangspunkt für ein erstes Treffen sein.

Auch nach Treffen sind regelmäßige Gespräche wichtig, um zu reflektieren, wie es euch geht und was in euch ausgelöst wurde. Welche Gefühle stehen zwischen euch danach, und wie geht es euch als Individuen? Dieser Prozess kann euch helfen, einander und euch selbst besser kennenzulernen. Er fordert oft viel Energie, Selbstreflexion und Zeit, kann sich aber lohnen, um gemeinsam den Weg verbunden zu gehen.

Sprecht auch darüber, was ihr an eurer Beziehung schätzt, und schafft gemeinsame Zeitinseln, in denen eure Beziehung und Sexualität Priorität haben. So könnt ihr sicherstellen, dass eure Beziehung stabil bleibt und gut gepflegt wird.

David Siegenthaler, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Uster

Dieser Artikel wurde im HAZ-Magazin unter der Rubrik «BEZIEHUNGSFRAGEN» am 22.11.24 veröffentlicht.

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