Seit der Pension meines Mannes streiten wir viel mehr. Früher war es kein Problem, ich habe den Haushalt gemanagt und mein Mann die Arbeit. Doch nun will er Zuhause bestimmen, was ich nicht mag, da ich im Haushalt immer alles geregelt habe. Er ist mittlerweile oft nur noch am Schweigen, und er findet, ich kritisiere ihn nur noch. Was sollen wir machen?

Beziehungen sind ein konstantes Spannungsfeld, in denen das Bestimmen und das Steuern der Entscheidungen eine grosse Herausforderung ist. Aktuell scheint Ihr Mann wenig Mitbestimmen zu können. Wenn Sie die alleinige Königin zuhause bleiben, bezahlen Sie den Preis, dass Ihr Mann vermutlich weiterhin stillschweigend streikt.

Entscheidungen zu treffen, kann tiefgehende psychologische Bedürfnisse befriedigen. So ist die sogenannte Selbstwirksamkeit ein wichtiges Element. Wenn wir als Menschen in unserer Umgebung selber wirksam sein können, steigert das unseren Selbstwert, unsere Bedeutsamkeit und Zufriedenheit. Hat Ihr Mann einen grossen Teil seiner Selbstwirksamkeit (durch das Bestimmen im Job) verloren, kann dies auch seine Zufriedenheit schwächen, was sich dann auch wieder negativ auf das «Paarökosystem» auswirkt. Es klingt, als wäre Ihr Mann in Ihren Berreich eingedrungen, da er seinen eigenen nicht mehr hat seit der Pension. Nun benötigt ihr Mann wohl einen Raum, in dem er auch weiterhin König sein darf, um seine eigene Zufriedenheit und Selbstwirksamkeit auszuleben.

Überlegen Sie sich, ob es Bereiche gibt, wo Sie ihm entgegen kommen könnten. Fragen Sie aber auch Ihren Mann, ob es Dinge gibt, welche ihn mehr interessieren. Das können auch Bereiche ausserhalb des Haushalts sein, welche ihr Mann gerne steuern möchte, wie z.B. ein Teil der gemeinsamen Aktivitäten, den Garten, ein Hobby oder ein Verein. Ein Abwechseln von König und Königin sein könnte ein weiterer gangbarerer Weg sein. Auch ein Ausprobieren und eine spielerische Herangehensweise kann in der Entwicklung helfen. Geben Sie sich Zeit für diesen Prozess. Wenn Sie geduldig aufeinander zukommen, wird sich Ihr Konflikt vermutlich langsam entspannen; so können Sie in eine neuen Lebensphase gehen und erneut Lebensqualität und Zufriedenheit finden.

David Siegenthaler, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich, Beratungsstelle Uster

Dieser Artikel wurde im Stadt-Anzeiger Opfikon Glattbrugg unter der Rubrik «DER GUTE RAT» am 13.01.2022 veröffentlicht.

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