Seit gut 10 Jahren bin ich mit meinem Mann verheiratet. Wir leben unseren Alltag mit seinen Höhen und Tiefen und im Grossen und Ganzen könnte ich mit unserer Beziehung zufrieden sein. Wenn ich aber sehe, wie liebevoll unser Nachbar mit seiner Partnerin umgeht, werde ich neidisch. Sie verlassen Hand in Hand das Haus, gehen oft spazieren und wirken wie frisch verliebt. Manchmal sehe ich, wie er ihr Blumen mitbringt. Nachts habe ich sie auch schon beim Sex gehört. Häufig ertappe ich mich, dass ich neidisch auf unsere Nachbarin bin und vergesse dabei, dass sie ihren Partner erst seit ein paar Monaten kennt. Weshalb ist das `Gras in Nachbars` Garten` nur grüner als bei uns?
Ist es das wirklich? Während Sie die Beziehung Ihrer Nachbarn facettenreich beschreiben, bleibt für mich das Bild Ihrer eigenen Beziehung beinahe konturlos. Fast nebenbei bemerken Sie, dass Sie mit ihr eigentlich zufrieden sein könnten. Hier hake ich ein. Richten Sie die imaginäre Scheinwerferlampe – weg von Ihren Nachbarn – hin auf Ihre eigene Beziehung: Was verbindet Sie als Paar? Was läuft gut? Was soll sich unter keinen Umständen ändern? Was schätzen Sie an Ihrem Mann? Wofür sind Sie dankbar? Was haben Sie schon zusammen bewältigt? Halten Sie die Antworten für sich auf einem Stück Papier fest.
Wenn Sie Ihre Scheinwerferlampe auf Ihre Nachbarn ausrichten, verlieren Sie mit grosser Wahrscheinlichkeit aus dem Blick, was Sie selbst haben. Vergegenwärtigen Sie sich auch, dass die Beziehung Ihrer Nachbarn erst ein paar Monate jung ist; vermutlich sind diese auch in einer anderen Liebesphase. Wenn es aber wichtige Punkte gibt, die Sie sich von ihrem Mann wünschen (z. B. dass er Sie gelegentlich mit Blumen überrascht), so sagen Sie es ihm unverblümt – und zwar ohne den Mann von nebenan vergleichend ins Spiel zu bringen, denn dies könnte Ihren Partner verletzen. Wenn Ihnen Nähe und Sexualität wichtig sind, so sprechen Sie dies ebenfalls an. Vielleicht gefällt auch ihm, wenn Sie öfters seine Hand ergreifen… .Entdecken Sie miteinander, was in Ihrem Beziehungsgarten bereits alles blüht und träumen Sie zusammen, was noch erblühen könnte. Den Garten von nebenan überlassen Sie derweil besser Ihren Nachbarn.
Werner Klumpp, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Bülach
Dieser Artikel wurde im Stadt-Anzeiger Opfikon-Glattbrugg unter der Rubrik «DER GUTE RAT» am 30.03.23 veröffentlicht.
Hier PDF Artikel zum download.