Beziehungen: Ich, 44, habe drei Beziehungen mit ziemlich dominanten Männern hinter mir, die mir nicht gutgetan haben. Eine Zeit lang war ich recht fasziniert von ihnen. Ich habe mich aber zu sehr den Wünschen meiner Partner angepasst und das erst spät gemerkt. Mein Vater war auch eine sehr starke Persönlichkeit. Hängt das zusammen?

Es kann tatsächlich sein, dass sich die Erfahrungen, die Sie mit Ihrem Vater gemacht haben, auf Ihre Partnerwahl und Ihr Verhalten in Paarbeziehungen auswirken. Denn zum einen zieht uns das an, was uns vertraut ist. Weshalb Sie vielleicht Männer wählen, die Ihrem Vater ähnlich sind. Und zwar leider auch dann, wenn diese Beziehungen Ihnen nicht guttun oder sogar schädlich für Sie sind.

Man führt kindliche Strategie weiter
Zum anderen haben Sie Anpassung als Strategie gelernt, um von Ihrem Vater anerkannt und geliebt zu werden. Als Erwachsene leben Sie diese Strategie anscheinend weiter – auch wenn diese vielleicht längst ausgedient hat. Man kann es auch so sagen: Sie haben als Kind Anpassung als «Lösung» Ihrer inneren Konflikte entwickelt. Bei Ihrem Partner war es vermutlich ähnlich: Er hat dominantes Auftreten zur Bewältigung seiner inneren Konflikte gelernt. Diese könnten bei ihm auch durch nicht verarbeitete Themen und ein geringes Selbstwertgefühl entstanden sein.

Beide Seiten leben deshalb entgegengesetzte, sich zuerst aber ergänzende Rollen. Und zwischen Ihnen und Ihrem Partner entsteht ein Kreislauf aus Dominanz und Anpassung.

Diese beiden Haltungen passen erst einmal wie Schlüssel und Schloss zusammen. Die Partner spielen unbewusst füreinander Ergänzungsrollen, um die Beziehung aufrechtzuerhalten. In Ihrem Fall geht es nach den Wünschen und Bedürfnissen Ihrer Partner und Sie stellen die eigenen zurück.

Die Partner treiben sich gegenseitig ins Extreme
Mit der Zeit treiben sich die Partner aber gegenseitig in die Extreme, sodass die Situation für einen oder beide belastend wird. Etwa indem der eine Partner immer unselbstständiger, der andere immer dominanter wird. Es ist denkbar, dass die Beziehung destruktiv wird, aber die angepasste Person es nicht schafft, sich vom Partner zu trennen.

Nicht auf die erste Faszination anspringen
Insofern ist es doch sehr positiv, dass Sie das Muster Ihrer Partnerwahl erkannt haben und wissen, dass solche Beziehungen schädlich für Sie sind. Vielleicht ist es nun wichtig für Sie, sich Zeit zu lassen bei einer erneuten Partnerwahl und gut darauf zu achten, dass Sie sich nicht allzu schnell von der ersten Faszination leiten lassen. Schauen Sie doch einmal, ob Sie nur dominante Männer anziehen oder ob es noch andere Typen gibt, die Sie auch spannend finden.

Ich würde Ihnen auch empfehlen, darüber nachzudenken, ob es im Zusammenhang mit früheren Partnern oder eben Ihrem Vater Themen gibt, mit denen Sie sich auseinandersetzen sollten. Ein Kern scheint zu sein, dass Sie Ihre eigenen Bedürfnisse wichtiger nehmen und lernen sollten, sich dafür einzusetzen, damit Sie sich in einer neuen Beziehung nicht wieder zu sehr anpassen.

Birgit Kollmeyer, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Thalwil

Dieser Artikel wurde in der Luzerner Zeitung unter der Rubrik «RATGEBER» am 22.08.23 veröffentlicht.

Hier PDF Artikel zum download.