Wir haben zwei Kinder im mittleren Alter. Als Paar haben wir schon lange keine Zeit mehr miteinander und wir kämpfen uns durch den Alltag. Wir streiten oft. Es nervt mich und macht mich wütend, wenn er vereinbarte Haushaltsaufgaben vergisst! Emotional mache ich viel mit mir selbst aus und ich gehe in eine Einzelberatung, um an mir zu arbeiten. Er sagt, er gibt sich Mühe, aber vielleicht braucht er auch Hilfe wie ich, dass es zwischen uns besser wird! Wie kann ich ihn davon überzeugen, dass er auch eine Einzelberatung machen sollte?

Das klingt, als würde seit einiger Zeit viel auf den Schultern von Ihnen beiden lasten. An der persönlichen Entwicklung zu arbeiten, kann die Beziehung beeinflussen. Wie ich Sie verstehe, haben Sie sich entschieden, die emotionalen Themen mit sich selbst auszumachen und den Mann lassen Sie aussen vor. Wenn beide Partner nur noch funktionieren müssen und keine Zeit füreinander haben, kann die gegenseitige Toleranz schwinden. Dadurch fühlen sich Partnerinnen und Partner vermehrt einsamer in der Beziehung. So kann die Verbindung und das Gefühl, ein Team und Paar zu sein, langsam und schleichend abhandenkommen.

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Sie sich so sehr darüber aufregen, und wenn Ihr Mann seine Haushaltsaufgaben vergisst? Es könnte sein, dass diese Wut für ein anderes Bedürfnis steht, das zu kurz gekommen ist. Dies meint zum Beispiel den Wunsch nach Nähe, Verständnis und die eigene Welt wieder miteinander teilen zu können. Wann haben Sie sich zuletzt als Paar die Zeit genommen, um sich gegenseitig zu fragen, wie es einander geht? Sich aktiv dafür zu entscheiden, wieder tiefe Gefühle und Gedanken miteinander zu teilen, kann aber ein anspruchsvoller Schritt sein. Sich dazu durchzuringen, kann Zeit benötigten und ein Prozess sein. Wenn Sie bereit dafür sind, ist es wichtig, sich einen Raum zu schaffen, wo sie sich aufeinander einlassen können. Wann würde es für Sie beide passen, ungestört miteinander zu sprechen? Probieren Sie im Gespräch keine Probleme zu lösen und fokussieren Sie sich stattdessen auf ihre Ängste, Sorgen, Hoffnungen und Träume. Dies könnte ein bedeutender erster Schritt sein, um sich als Paar gemeinsam weiterzuentwickeln und die Türen zueinander wieder zu öffnen.

David Siegenthaler, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Uster

Dieser Artikel wurde im Stadt-Anzeiger Opfikon-Glattbrugg unter der Rubrik «DER GUTE RAT» am 22.06.23 veröffentlicht.

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