Ich war mit meiner letzten Partnerin 10 Jahre zusammen. Ich wollte nach einem halben Jahr mit ihr zusammenziehen, ihr war das zu früh. Über die Jahre hatte sie viele Gründe gegen ein Zusammenziehen: Erst die Familie, dann ihr Job und am Schluss zu viel Druck von mir. Seit einem halben Jahr bin ich mit einer neuen Freundin zusammen. Sie möchte mit mir zusammenziehen, aber sie sagt, sie bräuchte etwas Zeit für diesen Schritt. Ich habe Angst, dass es wieder genauso endet und mache ihr Druck. Was kann Mann in dieser Situation tun?

Verletzungen aus vergangenen Beziehungen können uns prägen und Verletzen. Nun erinnert Sie das Verhalten Ihrer jetzigen Partnerin vermutlich an die letzte Beziehung und die Angst wird aktiv, um die offene Wunde bei Ihnen zu schützen. Eine Möglichkeit Ihren Umgang mit der Angst zu verändern, ist das Gedankenprotokoll. Schreiben Sie zuerst genau und detailliert auf, in welcher Situation Ihre Angst auftritt. Notieren Sie dann Ihre Gedanken, mit denen Sie die Situation beurteilen, z.B. «Das ist typisch, sie will mich auch nicht!». Anschließend notieren Sie Ihre Gefühle, wie «Wut, Druck, Angst, verletzt zu werden». Notieren Sie nun, wie Sie mit diesen Gedanken und Gefühlen handeln würden, z.B. «Ich würde ihr wütend sagen, sie solle mir endlich beweisen, dass sie mich will!».

Nun machen Sie das Gleiche erneut und beurteilen aber die Situation aber positiv, z.B. «Dass sie Zeit für die Umstellung benötigt, bedeutet, dass sie es ernst meint». Beschreiben Sie die Gefühle, die Sie dabei haben, z.B. «Ich fühle mich ein bisschen sicherer und merke, dass ihr unsere Beziehung wichtig ist». Nun formulieren Sie, wie Sie darauffolgend handeln würden «Ich würde ihr danken, dass ihr unsere Beziehung wichtig ist und ihr sagen, dass ich ihr die Zeit geben möchte, für den nächsten Schritt».

Diese Übung kann ungewohnt sein und erfordert viel Arbeit Ihrerseits, doch regelmässiges Üben erleichtert die neue Form des Denkens. Möglicherweise kommen Sie zum Schluss, dass sich ein Warten lohnen könnte, da Sie der Beziehung so die Chance schenken zu wachsen. Vielleicht wird sich durch die Auseinandersetzung mit Ihrer Angst auch ihre Wunde positive verändern können.

David Siegenthaler, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Uster

Dieser Artikel wurde im Stadt-Anzeiger Opfikon-Glattbrugg unter der Rubrik «DER GUTE RAT» am 13.04.23 veröffentlicht.

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