Mein Partner (49) und ich (45) sind vor einem Jahr zusammen mit meinen zwei Mädchen im Alter von 11 und 15 Jahren in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Bevor wir diesen Schritt wagten, kannten wir uns 3 Jahre und hatten jedes 2. Wochenende für uns; wir sahen uns im Schnitt wöchentlich einmal. Meine Kinder haben ihn in dieser Zeit zwar regelmässig gesehen, aber wir waren nur einmal gemeinsam in den Ferien. Da mein Partner keine eigenen Kinder hat, war dies vor allem für ihn eine grosse Umstellung. Anfänglich haben wir uns alle sehr Mühe gegeben, zunehmend gibt es immer mehr Spannungen, mein Partner fühlt sich zu sehr im Familienprogramm eingeengt, die Mädchen zicken ihn an. Und ich versuche es beiden recht zu machen und weiss aber nicht, wie lange ich diesen Spagat noch machen kann. Was raten Sie mir?

Pachtworkfamilien sind generell eine Herausforderung und in der heutigen Zeit, in der fast jede zweite Ehe geschieden werden, gehäuft anzutreffen. Stieffamilien sind aber kein neues Phänomen der heutigen Zeit; früher starben Frauen im Wochenbett oder Männer in Kriegen, sodass aus ökonomischer und sozialer Notwendigkeit neue Gemeinschaften entstanden sind. Der Unterschied zu heute ist, dass der Vater oder die Mutter der Kinder in den seltensten Fällen gestorben ist, sondern Mitsprache­kompetenzen hat und im Alltag präsent ist.

Ein Zusammenziehen als Patchwork geschieht überlegt und die Erwartungen sind häufig hoch; man möchte schnell zu einer normalen Familie zusammenwachsen und es besser machen als vorher. Aber Stiefvater bleibt Stiefvater, es ist wichtig dies anzuerkennen und nicht in die Konkurrenz zum Vater zu gehen. Dies mildert auch entstehende Loyalitätskonflikte und negativen Gefühle gegenüber der Stiefmutter oder dem Stiefvater, weil die Kinder häufig immer noch auf eine Versöhnung der Eltern hoffen. Könnte dies auch in Ihrem Fall sein? Nach einem Jahr sind Sie alle im Alltag gelandet, in dem man auch manchmal gereizt, kritischer und konfrontativer ist. Üben Sie sich in Gelassenheit und Geduld. Setzen Sie Ihre Erwartungen nicht zu hoch, es ist normal, dass nicht alles rund läuft. Lassen Sie Ihre Mädchen auch mit Ihrem Partner mal alleine, sodass sie miteinander Dinge unternehmen und sich dabei besser kennenlernen. Sie haben Ihren Partner ausgesucht, nicht Ihre Kinder. Geben Sie ihnen Zeit. Reden Sie miteinander, was sie brauchen. Vielleicht braucht Ihr Par­tner ab und zu ein Wochenende für sich ohne Familie. Oder Sie und die Mädchen ein «Mädels-Wochenende»?  Wann nehmen Sie sich Zeit als Paar? Pachtworkfa­milien brauchen einen langen Atem und Sie müssen ihr eigenes Beziehungsgeflecht finden. Bleiben Sie mutig und bleiben Sie dran!

Daniela Wurz, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich, Beratungsstelle Bülach

Dieser Artikel wurde am 04.02.21 im Stadtanzeiger Opfikon-Glattbrugg veröffentlich.