In Schlagern wird oft gesungen «Ich bin dein und du bist mein» oder «Was wär die Welt für mich ohne dich». Was denken Sie dazu?
Diese Aussagen sind Ausdrücke des Verliebtseins. Für eine dauerhafte Beziehung ist diese Gefühlseinstellung keine gute Grundlage. Beide müssen sich mit sich selber auseinandersetzen und eigenständig die Zufriedenheit finden. Für die Erfüllung ist nicht der Partner/die Partnerin zuständig.
Welche Erwartungen stellen Sie bei Paaren fest?
Wir leben in einer Zeit des Überflusses. Per Knopfdruck können wir uns rund um die Uhr alles bestellen, was wir meinen zu brauchen für unser Glück. Entsprechend sind auch unsere Erwartungen an eine Partnerschaft sehr hoch. Sie oder er soll attraktiv sein, erfolgreich, guten Sex bieten, sich um alles kümmern und gut verdienen. Diese Erwartungen werden garantiert enttäuscht, und dann folgt die Kritik aneinander und die Unzufriedenheit.
Gibt es einen anderen Ansatz?
Wir können unseren Geist trainieren, auf die Fülle zu schauen und das zu betonen, was wir haben, und das Fehlende und Unerfüllte nutzen, um uns weiter zu entwickeln.
Wie könnte das konkret umgesetzt werden?
In einem ersten Schritt kann man sich selber beobachten, wie viele positive beziehungsweise negative Botschaften man der Partnerin oder dem Partner pro Tag gibt.
Wie viele positive Botschaften sollten es pro Tag sein?
Man weiss, dass es als Ausgleich für eine negative Botschaft mindestens fünf positive braucht. Damit kann jede und jeder seine eigene Rechnung machen.
Was sind das zum Beispiel für Botschaften?
Wichtig ist, dass wir wieder lernen, uns auch an Kleinigkeiten und scheinbar Selbstverständlichem zu erfreuen. Wenn wir nicht wissen, was unseren Partner oder unsere Partnerin erfreut, könnte dies die erste Aufgabe sein, dies herauszufinden. Ein paar Beispiele: Eine kleine Aufmerksamkeit wie den Kaffee zu servieren oder die Wäsche wegzuräumen, ein Danke für etwas, was zur Selbstverständlichkeit geworden ist, ein Kompliment zum Aussehen oder ein Lob zur gekochten Mahlzeit. Es kann aber auch ein Dank sein, dass sie oder er sich für etwas eingesetzt hat, ein kleines Mitbringsel oder einfach die Aussage nach dem Heimkommen: «Ich freue mich, dass du wieder da bist.»
Viktor Arheit, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Affoltern am Albis
Dieser Artikel wurde im Anzeiger Bezirk Affoltern unter der Rubrik «RATGEBER BEZIEHUNG» am 31.07.24 veröffentlicht.