Die Kommunikation wird in der Paarberatung immer wieder als ein zentrales Problem genannt. Viele Menschen haben nicht gelernt, wie sie ihre Gefühle und Bedürfnisse konstruktiv mitteilen können. Manchmal ist die gestörte oder ungünstige Kommunikation auch eher ein Symptom für andere Themen. Studien zeigen, dass die Kommunikationskompetenz ein zentraler Faktor für das Fortbestehen und die Qualität einer Paarbeziehung ist.

Fragen Sie sich einmal, wie sie Ihre eigene Paarkommunikation beschreiben würden. Was gelingt Ihnen gut? Womit haben Sie Schwierigkeiten? Wenn Ihre Bilanz positiv ausfällt, herzliche Gratulation. Wenn sie eher durchzogen bis negativ ausfällt, dann lassen Sie sich sagen, dass Sie damit nicht allein sind.

Wieso ist es denn oft so schwer, «gut» zu kommunizieren? Nicht bei jedem Paar stehen die gleichen Herausforderungen im Vordergrund. Während es bei einigen Paaren explosiv zu und her geht und im Streit immer wieder auch verletzende Worte gesagt werden, vermeiden es andere eher, bestimmte Dinge anzusprechen, die vielleicht gesagt werden sollten. Wir alle haben eine Lerngeschichte, was die Kommunikation anbelangt. Es kann helfen, sich einmal zu fragen, wie in der eigenen Herkunftsfamilie kommuniziert wurde. Wurde beispielsweise gestritten und wenn ja, wie? Welchen Stellenwert hatte Harmonie? Wurden die Dinge ausdiskutiert und wenn ja, in welcher Form? Wie war der Umgang mit Gefühlen? Wurden sie gezeigt, unterdrückt oder unkontrolliert ausgelebt, beispielsweise in Form von Wutausbrüchen?

Auch wenn es in der Paarberatung nicht primär darum geht, die eigene Kindheit zu analysieren und aufzuarbeiten, kann das Verständnis für die eigene Prägung und die des Gegenübers ein wichtiger Schritt für das Weiterkommen in der Beziehung sein. Unsere Erlebnisse als Kinder prägen uns nachhaltig. Wir entwickeln sogenannte Glaubenssätze (etwa: «Ich muss mich behaupten, um nicht zu kurz zu kommen» oder «Ich muss mich anpassen, um geliebt zu werden»). Diese Glaubenssätze tragen wir auch in unsere Paarbeziehungen weiter. Glücklicherweise ist die eigene Lerngeschichte mit dem 18. Geburtstag aber nicht abgeschlossen. Wir lernen ein Leben lang und können uns auch bewusst weiterentwickeln.

Bei vielen Paaren sind auch die (dauernden) Vorwürfe ein Thema. Auch wenn eine Person vielleicht mehr Vorwürfe äussert, sind beide an der Dynamik beteiligt. Oftmals nimmt die zweite Person eine defensive Haltung ein oder bricht beispielsweise die Kommunikation ab, was die erste Person noch frustrierter zurücklässt. Als Paartherapeutin versuche ich mit Klientinnen und Klienten oft, den Wunsch hinter einem Vorwurf herauszuarbeiten. Denn fast immer steckt hinter einem Vorwurf ein Bedürfnis (zum Beispiel nach Nähe, Autonomie, Wertschätzung) und damit verbunden ein Wunsch (vielleicht nach gemeinsamer Zeit, nach mehr Zeit allein, nach Anerkennung des eigenen Einsatzes). Wenn man einen Wunsch äussert geht man das Risiko ein, dass dieser nicht erfüllt wird. Als Paar kann es Sie dennoch näherbringen, wenn Sie einander von ihren Bedürfnissen erzählen, denn dies schafft gegenseitiges Verständnis – auch wenn die Bedürfnisse teils sehr unterschiedlich sind und nicht immer von der Partnerin oder dem Partner befriedigt werden (können). Dabei gilt es auch, Verantwortung für die eigenen Bedürfnisse zu übernehmen.

Anstatt hier auf die gängigen Kommunikationsregeln und -fehler einzugehen, möchte ich lieber noch einen anderen Aspekt beleuchten, der in Bezug auf die Kommunikation oft unterschätzt wird: den Stress. Wir wissen heute, dass Stress über verschiedenste Mechanismen einen Einfluss auf Partnerschaften hat (vgl. dazu Bodenmann, 2016). Einer dieser Mechanismen ist, dass wir unter Stress schlechter kommunizieren. Fragen Sie sich einmal, wie Sie unter Stress reagieren. Ziehen Sie ich eher zurück oder suchen Sie die Konfrontation und werden vielleicht schnippischer und intoleranter? Wie verhält sich Ihre Partnerin, Ihr Partner unter Stress?

Selbstfürsorge zu betreiben im Sinne eines persönlichen Energiemanagements und der eigenen Stressregulation, ist also auch ein Dienst an die Partnerschaft. Wenn man aber trotzdem einmal sehr gestresst ist respektive merkt, dass die Partnerin oder der Partner gestresst ist kann es manchmal auch besser sein, in diesem Moment nicht zu viel zu kommunizieren. Sinnvoll ist meist, wenn mitgeteilt wird, dass man belastet ist, damit das Gegenüber weiss, woran er oder sie ist. Im besten Fall kann die andere Person Verständnis und Unterstützung bieten. Manchmal ist aber gerade kein Raum dazu da – beispielsweise, wenn kleine Kinder zu Hause rumrennen und aufs Abendessen warten. Oder wenn die Partnerin oder der Partner selbst auch unter Stress steht.

In der Paarberatung lasse ich Klientinnen und Klienten ihre Belastung oft auf einer Skala von 1 bis 10 einschätzen, wobei man bei 10 unter absolutem Hochstress und eigentlich nicht mehr handlungsfähig ist. Diese Art der Selbsteinschätzung ist etwas, was man auch in den Alltag einbauen kann. Ist man selbst über einer 5 oder schätzt man seinen Partner oder seine Partnerin auf über einer 5 ein, ist es vielleicht besser, bestimmte Themen nicht in diesem Moment anzusprechen. Das heisst nicht, dass die Dinge für immer unter den Teppich gekehrt werden sollten. Aber nicht alles, was gesagt werden muss, muss sofort gesagt werden.

Es ist oft sehr schwierig, die eigenen negativen Muster zu verändern und bestimmte Dinge nicht mehr zu tun. Es muss auch nicht das Ziel sein, in einer Partnerschaft keine Fehler mehr zu machen und immer nur freundlich und in Ich-Botschaften zu kommunizieren. Das Verhältnis von Positivität zu Negativität spielt eine entscheidende Rolle. Der amerikanische Psychologe und Paarforscher John Gottman hat viel zum Thema Kommunikation geforscht und geschrieben. Immer wieder zitiert wird seine 5­zu­1-Regel (Gottman, 1994). Gemeint ist, dass in glücklichen Partnerschaften das Verhältnis von positiven zu negativen Interaktionen 5:1 beträgt. Einerseits ist dies eine schlechte Nachricht. Denn wenn ich einmal meinen Partner anschnauze, braucht es nun mehrere positive Interaktionen von mir, damit unsere Beziehung stabil und zufrieden bleibt. Vielleicht nicht unmittelbar danach, aber über die Zeit gesehen. Also ein «Danke», ein kleines Kompliment, ein verständnisvolles Zuhören etc. Die gute Nachricht daran ist, dass wir, auch wenn die Kommunikation einmal nicht so liebevoll oder günstig war, bewusst gegensteuern können.

Zuletzt noch eine kleine Hausaufgabe. In der Paarberatung schaue ich mit den Klientinnen und Klienten an, wo es Oasen gibt, in denen sie möglichst stressfrei und ohne konkretes Ziel (wie die nächste Woche zu planen oder Probleme zu lösen) miteinander reden können. Obwohl ich als Paartherapeutin damit durchaus Ziele verfolge. Denn solche Oasen sind essenziell, wenn sich Paare nicht aus den Augen verlieren wollen. Zeiten, in denen sie sich aufeinander einlassen können, in denen sie zuhören können, ohne sich gleich angegriffen zu fühlen, in denen sie einfach mal erzählen können, was sie bewegt.

Manchen Paaren hilft es, dies strukturiert zu tun, beispielsweise mittels eines sogenannten Zwiegesprächs, welches in der ursprünglichen Form von Michael Lukas Moeller (1996) beschrieben wurde. Ich bespreche mit den Paaren, wie sie dies am besten für sich adaptieren können. Im Grundsatz gebe ich ihnen mit, sich beispielsweise einmal wöchentlich eine gute halbe Stunde für sich als Paar rauszunehmen, wo sie möglichst ungestört und ohne Druck reden können. Jede Person erzählt dem Gegenüber 10 Minuten von sich, ohne dass die andere Person dies kommentiert. Sie darf einfach nur zuhören, auch wenn es beim anderen zwischendurch eine Pause gibt. Am besten man stellt sich einfach einen Wecker. Dann ist die andere Person dran. Die erzählende Person darf selbst entscheiden, worüber sie sprechen will, sie soll aber bei sich bleiben und keine Vorwürfe machen. Leitfragen sind: Wie ist es mir in der letzten Woche ergangen? Was hat mich bewegt und worüber habe ich nachgedacht? Was hat mich gefreut oder belastet? Was hat mich viel Energie gekostet und wo konnte ich Kraft tanken? Am Anfang fühlt es sich vielleicht fremd an zu erzählen, ohne dass sich daraus gleich ein Dialog ergibt. Aber mit der Zeit kann daraus eine kleine Oase der gelungenen Kommunikation entstehen.

Noëmi Ruther, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Wetzikon

Dieser Artikel wurde im Stadt-Anzeiger Opfikon Glattbrugg unter der Rubrik «DER GUTE RAT» am 25.07.2024 veröffentlicht.

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