Ich habe ein Problem mit meinem Mann: Er ist unserem Sohn (12) gegenüber zu grosszügig: Er lässt ihn viel am Handy gamen, während ich es nicht gut finde, wenn er sich hierzu länger zurückzieht. Auch scheint es meinem Mann egal zu sein, wenn die Hausaufgaben nicht erledigt oder seine Noten öfter mal schlechter sind. Wäre am Wochenende dann Gelegenheit zum Lernen, nimmt mein Mann ihn in Schutz und sagt, das wäre doch nicht so wichtig. So bekommen wir oft Streit, da sich unser Sohn gegen mich stellt. Wenn ich meinen Mann konfrontiere, meint er, er wolle nicht so streng sein, da er ihn wegen seiner Arbeit sowieso wenig sieht. Das macht mich fertig.

Eltern zu sein, bedeutet Freude, Erfüllung und Herausforderung zugleich. Während sich das Kind stets weiterentwickelt, erkundet und dabei auch Grenzen austestet, sind die Eltern herausgefordert, einen guten Rahmen für diese Entwicklung bereitzuhalten. Ihrer Beschreibung nach sind Sie sich als Eltern über diesen Rahmen in etlichen Punkten nicht einig. Ihr Sohn nimmt diese Uneinigkeit bei Ihnen wahr; Konflikte stellen sich zwangsläufig ein. Aber: Gute Eltern sind nicht automatisch jene, die sich in sämtlichen Erziehungspunkten einig sind. Vielmehr sind unterschiedliche Vorstellungen zwischen Eltern durchaus normal. Ihre Differenzen sind jedoch so gross, dass Ihr Sohn sie für sich nutzt. Das schwächt Sie beide in Ihrer Erziehungskraft. Ihr Partner hat Ihrem Sonn gegenüber offenbar ein schlechtes Gewissen, wodurch er sein Erziehungsverhalten rechtfertigt. Was Ihr Mann zu brauchen scheint, ist zunächst die Erfahrung, Qualitätszeiten mit Ihrem Sohn zu erleben. Je nach Vorlieben könnten Vater– Sohn–Erlebnisse (z. B. Grillieren im Wald) dieses schlechte Gewissen reduzieren. Dadurch wird es Ihrem Mann vermutlich leichter fallen, Erziehungsfragen mit Ihnen nochmals zu überdenken und anzugehen: Welchen Umgang soll unser Kind mit Medien haben? Wo und wie setzen wir Grenzen? Welche Erwartungen haben wir bezüglich schulischer Leistungen und wie gehen wir mit diesen um? Aber auch: Wo sind wir uns bereits einig? Was schätze ich an Dir als Vater? Gerade die letzte Frage könnte Türöffner sein … . Alles Gute.

Werner Klumpp, Paarberatung und Mediation, Kanton Zürich, Beratungsstelle Bülach

Dieser Artikel wurde am 10.06.21 im Stadtanzeiger Opfikon-Glattbrugg veröffentlich.