Wir sind seit 26 Jahren verheiratet und manchmal finde ich es einfach langweilig in unserer Beziehung. Unsere Kinder stehen fast auf eigenen Beinen, nur für den jüngsten finanzieren wir noch einen Teil seines Studiums. Corona hat mein Lebensgefühl auch nicht verbessert, mir fiel manchmal schon die Decke auf den Kopf, obwohl ich immer arbeiten konnte. Ich nerve mich über Kleinigkeiten, zum Beispiel wenn mein Mann sich ständig räuspert. Manchmal bin ich auch respektlos im Umgang, was ich eigentlich gar nicht möchte. Haben Sie einen Tipp?

Was Sie hier beschreiben, erleben viele Paare in Varianten. Die Idee der lebenslangen Liebesehe um gemeinsam ein Maximum an Glück und Erfüllung zu haben ist noch gar nicht so alt. Früher stand der Aufbau einer Familie im Vordergrund, wirtschaftliche und praktische Gründe waren nebst Zuneigung ebenso massgebend. Da ein grosser Teil der Menschen in der Schweiz heute einen guten Lebensstandard hat, stehen in der Partnerschaft die Gefühle zueinander im Fokus und diese können verletzt werden im Lauf der Jahre. Doch was hält die Liebe auch nach vielen Jahren noch lebendig? Robert Sternberg, ein amerikanischer Psychologe, hat das Dreieck der Liebe entwickelt: Intimität, Leidenschaft und Verbindlichkeit. Intimität steht für Vertrauen ineinander, Respekt und Wertschätzung, für Nähe und Wohlbefinden. Leidenschaft bezieht sich auf die sexuelle Anziehung, die körperliche Hingabe. Die Verbindlichkeit ist die Bereitschaft, sich auf eine längere Beziehung einzulassen. Alle drei Komponenten sind wichtig, aber die Bedeutung verlagert sich im Lauf der Zeit etwas. Die Leidenschaft nimmt meist ab. Die Intimität wird wichtiger und benötigt Pflege. Einige Anregungen: Wie zeigen Sie Ihrem Mann im Alltag Ihre Wertschätzung? Die Begrüssung am Morgen, ein aufmunternder Blick, eine leichte Berührung, ein Zeichen des Zuhörens, wenn er etwas sagt? Solche kleinen Gesten sind Zeichen des Respekts und Ihr Gegenüber passt sich Ihrem Verhalten an. Vielleicht machen Sie einen ungewohnten Vorschlag; ein kurzer Spaziergang bevor man zur Abendroutine übergeht, ein Spiel zusammen, irgendeine kleine Veränderung des gewohnten Ablaufes. Nebst der achtsamen Pflege der Intimität ist eine Portion Eigenständigkeit unumgänglich. Dies ist gerade in Zeiten von Corona gar nicht so einfach! Wo übernehmen Sie die Verantwortung für Ihr Wohlbefinden? Wann grenzen Sie sich ab, betreiben Selbstfürsorge? Wenn Sie achtsam sind sich selber gegenüber, sind Sie weniger genervt über störende Verhaltensweisen Ihres Mannes. Seien Sie mutig: Wer eigenständig bleibt, ist für den anderen attraktiv.

Salome Roesch, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich, Beratungsstelle Wetzikon

Dieser Artikel wurde am 10.03.21 im Stadtanzeiger Opfikon-Glattbrugg veröffentlich.