Was meinen Sie mit «reden»?
Es geht mir nicht ums Plaudern oder um das Gespräch über Alltagsangelegenheiten, sondern um den Austausch über mich und dich. Das ist ein Reden, in dem ich mich dir zeige, mich öffne und etwas preisgebe von meinem Innersten. Vielleicht erzähle ich etwas, was ich erlebt habe und was mich besonders beschäftigt. Oder ich spreche etwas an, das die Beziehung betrifft.

Was braucht es, damit das möglich ist?
Natürlich Vertrauen zueinander, einen emotional intimen Raum, in dem wir achtsam und liebevoll umgehen miteinander. Und es braucht das Zuhören. Wenn ich von mir persönlich erzähle, möchte ich gehört und verstanden werden. Da ist kein Platz für Kritik und Rechthaberei.

Wie gelingt dies, ohne dass ein Streit entsteht?
Für zerstrittene Paare kann dies eine Überforderung sein. Eine Voraussetzung ist, dass man urteilsfrei zuhören kann, und das fällt uns allen nicht leicht.

Es gibt Paare, die im Verlaufe ihrer jahrelangen Beziehung aufgehört haben, wirklich miteinander zu reden.
Das Alltagsgeschehen, Kinder, Beruf, Handy lenken ab von diesen wichtigen persönlichen Begegnungen. In der Phase der Verliebtheit führen wir solche Gespräche, danach werden sie von Stress und Genervtheit verdrängt. Wenn über Jahre kein persönliches Gespräch mehr geführt wurde, ist die Hürde irgendwann sehr hoch. Viele Menschen verstecken sich aus Unsicherheit auch hinter einer scheinbaren Stärke und möchten ihr Inneres nicht preisgeben, auch nicht gegenüber dem Partner/der Partnerin.

Welche Themen sind besonders schwierig?
Alles, was uns verletzlich macht. Über sein Innenleben zu sprechen ist für viele Männer meist schwieriger als für ihre Partnerinnen. Auch über Sexualität zu sprechen ist nicht einfach, obwohl heute alle über alles Bescheid wissen.

Manchmal sagen Menschen, die den Partner oder die Partnerin durch einen plötzlichen Tod verloren haben: «Ich bereue es, dass wir nicht mehr über dieses oder jenes gesprochen haben.»
Wir leben nie in Sicherheit und wissen nicht, was heute noch geschieht. Daher kann es eine gute Gewohnheit sein, erst aus dem Haus zu gehen, wenn ein Konflikt bereinigt ist. Vielleicht kann man nie alles besprochen haben, aber man kann darum bemüht sein, emotionale Nähe herzustellen und das Gefühl der Verbundenheit zu stärken. Manchmal braucht es dazu etwas Mut, um die Themen, die im Hintergrund liegen, anzusprechen.

Viktor Arheit, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Affoltern am Albis

Dieser Artikel wurde im Anzeiger Bezirk Affoltern unter der Rubrik «RATGEBER BEZIEHUNG» am 26.01.24 veröffentlicht.

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