Ich (18) bin seit Mai total verliebt in meinen Traummann. Es ist meine erste Beziehung und ich bin total happy. Nun sagt mir meine beste Kollegin, dass das wohl nicht so bleiben würde. Beziehung sei mit der Zeit nur anstrengend. Deshalb hätte sie sich von Ihren Partnern nach einiger Zeit wieder getrennt. Sie verunsichert mich mit diesen Aussagen stark und raubt mir meine Illusion an eine dauerhafte und glückliche Liebe.
Zuallererst: Ich freue mich für Sie, dass Sie Ihren Traummann gefunden haben. Diese „Schmetterlinge“ im Bauch, dieses Kribbeln, – vermutlich treffen meine Worte nur annähernd, was Sie erleben, wenn Sie nur an ihn denken. Einfach nur genial! Die Ernüchterung Ihrer Kollegin wirkt da wie ein Spielverderber – und doch ist sie nicht gänzlich aus der Luft gegriffen: Der Zustand des ersten Verliebtseins, der auch stark von Hormonen beeinflusst wird, dauert in Beziehungen häufig nur einige Wochen, allenfalls Monate. Das heisst aber nicht, dass es damit mit der Liebe aus und vorbei ist. Im Gegenteil. Was nach dieser gefühlsintensiven Phase vielfach folgt ist, dass man seinen Partner genauer wahrnimmt. Plötzlich entdeckt man auch Eigenschaften, die man anfangs gar nicht sah: Da nervt das Zuspätkommen, der Musikgeschmack oder das Durchziehen eigener Pläne, um nur ein paar Beispiele aus der Praxis zu nennen. Man sieht den Anderen so, als ob einem die bekannte rosarote Brille abgenommen würde. Plötzlich werden auch Unterschiede und Schwächen des Anderen entdeckt. Und gleichzeitig darf man davon ausgehen, dass ebenso der Partner diese Entdeckungen bei einem selbst macht. Gespräche und Konflikte, die daraus entstehen, können durchaus anstrengend sein und nicht selten ist man versucht, den Anderen so zu ändern, wie er sein soll. Auch der Gedanke an Trennung kann hier auftauchen. Dass es sich lohnt, nicht gleich alles aufzugeben, bestätigen all die Paare, die es geschafft haben, sich miteinander konstruktiv auseinanderzusetzen. Werden gegenseitiges Verständnis und Vertrauen sowie Kompromissfindung angestrebt und gelebt, entsteht eine tiefere Verbundenheit und Liebe, die keinesfalls nur Illusion ist.
Werner Klumpp, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich, Beratungsstelle Bülach
Dieser Artikel wurde am 22.07.21 im Stadtanzeiger Opfikon-Glattbrugg veröffentlich.
