Meine Frau und ich sind seit 14 Jahren verheiratet, und wir haben zwei Kinder. Im letzten Jahr hat sich unsere Sexualität stark reduziert, da sich meine Frau und Ihr Körper durch eine Erkrankung merklich verändert hat. Ich wünschte, ich würde sie weiterhin so attraktiv wie früher finden, aber habe starke Mühe über die Veränderungen nun hinweg zu sehen obwohl ich sie liebe. Inzwischen erwische ich mich immer häufiger wie ich unseren sexuellen Kontakten aus dem Weg gehe, auch aus Angst, dass sie merkt, dass ich nicht mehr so erregt bin. Was kann ich tun?
Sie durchleben eine Situation, die keiner Langzeitbeziehung auf Dauer erspart bleibt, nämlich die Auseinandersetzung mit körperlichen Veränderungen und, hart gesagt, dem körperlichen Verfall. Daher ist es auch mehr als normal, wenn Sie sich noch an die Veränderung gewöhnen müssen. Aber auch Bedürfnisse, Wünsche, Lust und Potenz wandeln sich sowohl im Alter als auch über die Beziehungsdauer. Warum sollten Sie beide die Sexualität unter den neuen Bedingungen schon so geniessen können wie früher? Sie dürfen auch der früheren Intimität noch ein wenig nachtrauern. Vielleicht schaffen Sie es, Ihre Gefühle als momentanen Status quo zu akzeptieren. Zudem spielt sich Sexualität nicht nur auf der körperlichen Ebene ab, sondern kann auch Zugehörigkeit, Kommunikation und einen Entscheid für einander bedeuten. Gerade die vielen wertvollen Erfahrungen aus Ihrer Paarbiografie und Ihre gegenseitige Liebe könnten wie eine Brücke zu Ihrem Begehren für Ihre Frau fungieren. Gibt es etwas, wo Sie Ihre Frau als besonders lebendig im Hier und Jetzt erleben oder in Erinnerung haben? Auch das ist eine Form von Begehren.
Als weiterer Ansatz sorgt das gemeinsame Gespräch. Wenn Schwieriges stillschweigend vermieden wird, wird auch die Chance für eine Neuausrichtung Ihrer sexuellen Beziehung verbaut. Versuchen Sie die Auswirkungen der Veränderung auf Sie einfühlsam zu benennen. Womöglich hat Ihre Frau ähnliche Ängste, dass Sie Ihnen nicht mehr genügt. Fragen Sie auch sie, wie es ihr mit den Veränderungen geht. Was würden Sie sich von Ihrer Frau wünschen, wie sollte Ihre Sexualität aussehen? Und was wünscht sich Ihre Frau? Wenn Sie darüber sprechen können, ist vielleicht der Weg auch wieder frei, Sexualität und Nähe auf eine neue Weise zu leben, da die Erwartungen, Wünsche und Ängste einen Platz bekommen haben und der Druck wegfallen könnte.
Rebekka Kuhn, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich, Beratungsstelle Dielsdorf
Dieser Artikel wurde am 18.02.21 im Stadtanzeiger Opfikon-Glattbrugg veröffentlich.