Wenn es einer Frau nicht gut geht, und sie berichtet zum Beispiel von ihrem anstrengenden Arbeitstag mit Konflikten, wie reagieren die meisten Männer?
(Lacht.) Sie suchen nach Lösungen und geben gut gemeinte Ratschläge. Vielleicht erklären sie ihr sogar, dass sie dieses oder jenes hätte besser machen sollen.
Warum?
Das ist die Lektion Nummer Eins für Männer. Sie definieren sich in der Regel über Lösungen. Ihre Aufgabe besteht darin, dass es im Job und zuhause funktioniert. Der Mann möchte tatkräftig sein und bei Problemen sichtbar etwas verändern. Zudem sind viele Männer mit starken weiblichen Emotionen überfordert und meinen, die Welt gerate aus den Fugen. Wenn eine Frau zum Beispiel sagt: «Ich kann nicht mehr!», nimmt der Mann das allzu wörtlich, dabei ist es nur ein Ausdruck ihrer momentanen Verzweiflung.
Was empfindet die Frau, wenn der Mann ihr Ratschläge auftischt?
Sie fühlt sich nicht verstanden, vielleicht sogar kritisiert. Ihr ist nicht geholfen. Vielleicht wird sie heftig und wehrt sich: «Hör doch auf mit deinen besserwisserischen Ratschlägen.» Am Schluss fühlen sich beide als Verlierer.
Was erklären Sie also den Männern?
In so einer Situation ist nicht die Lösung gesucht, sondern das Zuhören und Anteilnehmen, das Präsent sein. Der Mann ist als Beziehungspartner gefragt. Da tun sich Männer manchmal schwer. «Nur dasitzen und zuhören?» Vielleicht sind sie überfordert und ratlos: «Du willst über ein Problem reden und keine Lösung hören?» Viele Männer müssen lernen, dass zuhören nicht bedeutet, nichts zu tun. Sie können der Frau Geborgenheit, Liebe und Sicherheit vermitteln – und durch Interesse und Rückfragen zeigen sie: Du bist mir wichtig.
Was wünscht sich denn eine Frau in so einer Situation?
Sie möchte erzählen und das Schwierige, Belastende teilen. Sie möchte Raum haben für ihre Emotionen und sich in der Beziehung getragen und geliebt fühlen. Sicher wünscht sie sich nicht, die vergangene Situation zu sezieren und zu analysieren.
Wie kann die Frau dem Mann helfen? Wenn der Mann sich bewusst ist, dass er manchmal allzu schnell nach dem «Lösungsanker» greift, kann die Frau ihn darauf ansprechen. Sie kann ihm achtsam sagen, was sie sich jetzt wünscht und was sie von ihm braucht.
Viktor Arheit, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Affoltern am Albis
Dieser Artikel wurde im Anzeiger Bezirk Affoltern unter der Rubrik «RATGEBER BEZIEHUNG» am 26.05.23 veröffentlicht.
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