Muss man in einer Beziehung alles wissen voneinander oder darf man Geheimnisse haben voreinander?
Grundsätzlich darf man Geheimnisse haben. In einer Beziehung ist jede und jeder eigenständig und nicht verpflichtet, dem andern alles zu erzählen. Natürlich kommt es aber darauf an, was voreinander verheimlicht wird und wie oft. Es stellt sich immer die Frage: Wer wird durch die Geheimhaltung geschützt? Ich, du oder die Beziehung?
Bei Geheimnissen denkt man in erster Linie ans Fremdgehen. Welche anderen Bereiche gibt es, die sie oder er viel leicht lieber nicht teilen möchte? Können Sie ein paar Beispiele nennen?
Es kann um politische, religiöse, gesundheitliche Themen oder um Ernährung gehen. Wenn sie oder er weiss, dass ein Erlebnis oder eine Begegnung in einem dieser Bereiche beim Gegenüber Missbehagen auslöst, kann das Geheimhalten die Beziehung vor sinnlosen Diskussionen oder schlaflosen Nächten schonen.
Was geschieht, wenn immer mehr Themen nicht mehr geteilt werden, um sich oder den Partner/die Partnerin zu schonen?
Wenn das zum System wird, kann es eine Beziehung zerstören. Auf die Dauer stirbt durch das Verschonen etwas ab. Das Paar entfremdet sich, es gibt keine Reibungspunkte mehr, keine Diskussionen und damit auch keine gemeinsame Entwicklung. Es schleicht sich eine Gleichgültigkeit ein. Ich höre in solchen Situationen dann manchmal die resignierte Aussage: «Er/sie ist halt einfach so.»
Nochmals zum Fremdgehen. Wann sollte das dem Partner/der Partnerin offen gelegt werden?
Bei einem einmaligen Seitensprung stellt sich wirklich die Frage, ob es dienlich ist. Ich weiss von einer Frau, die einen einmaligen Seitensprung ihrem Mann nie erzählt hat, um ihn nicht zu verletzen. Gemäss ihrer Aussage waren die beiden über 50 weitere Jahre glücklich zusammen.
Und bei der regelmässigen Pflege einer Zweitbeziehung?
Das muss aus Fairness offen gelegt werden. Nur dann sind Veränderung, Auseinandersetzung und Wachstum möglich. Partnerschaft heisst Vertrauen, Sicherheit und Schutz. Dort ist Sexualität aus schliesslich – es sei denn, die beiden haben miteinander eine andere Vereinbarung abgemacht.
Viktor Arheit, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Affoltern am Albis
Dieser Artikel wurde im Anzeiger Bezirk Affoltern unter der Rubrik «RATGEBER BEZIEHUNG» am 27.09.24 veröffentlicht.