Mein Mann hat eine Angewohnheit, die mich zunehmend stört. Er hat eine fixe Meinung und duldet keinen Widerspruch. Wenn ich eine andere Ansicht habe, dann fühlt er sich kritisiert von mir und ist beleidigt. Oft kommt es dann zu Streit oder mein Mann sagt einfach nichts mehr, manchmal über Stunden hinweg. Vielleicht sind wir zu gegensätzlich für eine Beziehung?

Obwohl ich Sie und Ihren Mann nicht kenne, wage ich die Einschätzung, dass Sie nicht zu gegensätzlich sind für eine Beziehung. Als Sie sich kennenlernten und sich ineinander verliebten, waren es vermutlich genau diese Gegensätze, welche Sie füreinander attraktiv und anziehend machten. Mit der Zeit beginnen die Unterschiedlichkeiten zu nerven und man wünscht sich, dass der Partner oder die Partnerin so denkt und fühlt wie man selbst. Das ist ein normaler Prozess, die meisten Paare erleben das.

Das heisst aber nicht, dass das Sie sich nun daran gewöhnen sollen, dass Sie und Ihr Mann streiten, weil Sie unterschiedliche Ansichten haben. Sie sind dieser Situation nicht ausgeliefert, sondern haben Handlungsspielraum. Wenn Sie Ihr Verhalten ändern, wirkt sich das mit Wahrscheinlichkeit auch auf das Verhalten Ihres Mannes aus.

Bei einem Streit geht es häufig darum, dass sich die Parteien unverstanden fühlen. Es ist oft so als würde es nur noch „Schwarz“ und „Weiss“ geben, weil beide auf ihrem Standpunkt verharren. Mit der Zeit geht es meist darum, wer Recht hat. Damit Sie und Ihr Mann auch die „Grautöne“ sehen können, müssen Sie die Beweggründe für die jeweilig andere Ansicht kennenlernen. Dies erfahren Sie, wenn Sie Ihren Mann fragen, wie er zu seiner Meinung gekommen ist. Wenn Sie ihm zuhören, können Sie besser nachvollziehen, welche Beweggründe und Gefühle er hat. Vielleicht entwickeln Sie mit der Zeit ein wenig mehr Verständnis für seine Sichtweise. Oft stecken Sorgen und Ängste dahinter, wenn jemand seine Haltung vehement verteidigt.

Wenn Sie ihm zuhören, sind Sie vermutlich offener für einen konstruktiven Dialog und gegebenenfalls auch einen Kompromiss. Die Anerkennung seiner Meinung und seiner Gefühle hilft Ihrem Mann, sich auch auf Ihre Ansichten einzulassen. Wenn Sie sich bemühen, den Fokus auf die Grautöne und Schattierungen zu legen, bewirkt dies womöglich auch bei Ihrem Mann eine Veränderung Richtung Kompromissbereitschaft.

Salome Roesch, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Wetzikon

Dieser Artikel wurde im Stadt-Anzeiger Opfikon Glattbrugg unter der Rubrik «DER GUTE RAT» am 06.10.22 veröffentlicht.

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