Warum kann es in einer Beziehung schwierig sein, Distanz auszuhalten?
Wenn Liebes-Unsicherheit im Raum ist, kann Distanz Angst oder Misstrauen auslösen.

Dann hat das Distanz-Zulassen also mit Vertrauen zu tun?
Ja, Vertrauen ist die Grundlage, damit Distanz gut ausgehalten werden kann. Das fällt nicht allen gleich leicht. Distanz kann auch als Liebesentzug, Kritik oder Abwertung empfunden werden.

Was meinen Sie eigentlich mit «auf Distanz gehen»?
Es geht mir hier um das Bedürfnis, Zeit für mich alleine zu haben, ganz für mich zu sein. So schön die Zweisamkeit ist, so hat auch das Allein sein seine eigenen Qualitäten. Dies kann bedeuten: «Ich brauche eine Stunde, einen Tag, ein Wochenende, eine Ferienwoche für mich – ohne dich.»

Wie kann mit Distanz umgegangen werden, ohne die Beziehung zu stressen?
Da ist einmal die klare ehrliche Kommunikation darüber, was ich brauche und warum und wie mit der Auszeit umgegangen werden soll: zum Beispiel täglich telefonieren austauschen oder nur «gute Nacht» sagen. Durch die räumliche Distanz
muss nicht emotionale Distanz entstehen – im Gegenteil, eine Auszeit kann die Beziehung sehr beleben.

In welchen Sinn kann Distanz befruchtend sein?
Wenn ein Paar immer zusammen ist und alles teilt, wird vieles selbstverständlich und die Wahrnehmung füreinander kann trüb werden. Luft und Freiraum um sich selber zu spüren und eigene Erfahrungen zu machen, bringt neuen Sauerstoff in die Beziehung. Zu viel Nähe kann belastend und beengend werden, gesunde Distanz bringt Dynamik in die Partnerschaft.

Was ist anders, wenn ich alleine Ferien mache?
Wer alleine unterwegs ist, macht andere Erfahrungen und ist offener für Begegnungen. Es ist niemand an der Seite, auf den/die ich Rücksicht nehmen muss oder mit dem/der ich mich beschäftige. Dadurch bin ich viel wacher für alles rundherum, für die Landschaft, die Stimmungen oder die Menschen um mich.

Nochmals zum Thema Distanz: Es gibt auch die resignierte Distanz in langjährigen Beziehungen. Die beiden haben sich nichts mehr zu sagen und leben nur noch nebeneinanderher.
Diese Art von Distanz hat sich über Jahre eingeschlichen. Hier ist das innere Interesse aneinander verloren gegangen und vielleicht auch am Leben selbst. Um da nicht hinzugeraten, braucht es Wachheit und geistige Präsenz.

Viktor Arheit, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich,
Beratungsstelle Affoltern am Albis

Dieser Artikel wurde im Anzeiger Bezirk Affoltern unter der Rubrik «RATGEBER BEZIEHUNG» am 27.02.24 veröffentlicht.

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