«Seit ein paar Wochen bin ich (19) über beide Ohren in einen jungen Mann verliebt, der in der Bäckerei nebenan arbeitet. Jedes Mal, wenn ich ihn sehe oder nur an ihn denke, bekomme ich Herzklopfen. Er geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Ich traue mich aber auch nicht, ihn anzusprechen, da ich unsicher bin, mich auf eine Beziehung einzulassen. Ich hatte noch nie einen Freund. Zudem haben sich meine Eltern gerade getrennt, was meine Unsicherheit in Bezug auf eine Beziehung noch grösser macht. Vielleicht wäre es auch sinnvoller, mich um meine Mutter zu kümmern, da sie sehr unter der Trennung leidet. Meine innere Zerrissenheit ist gross. Was soll ich nur tun?»

Ich meine, aus Ihren Zeilen herauszulesen, dass Sie im Innersten bereits Ihren Herzenswunsch kennen. Verweilen Sie einen Augenblick in der Phantasie: Stellen Sie sich vor, dass auch er Sie interessant und attraktiv findet; auch dass es ihm nichts ausmacht, dass Sie noch keinen Freund hatten – im Gegenteil. Hätte das Einfluss auf Ihr gegenwärtiges Zögern? Wie würden Sie sich verhalten? Würden Sie ihm beim nächsten Einkauf zuzwinkern oder ihm einfach ein nettes Kompliment machen? Wären Sie über Ihren Mut gar selbst überrascht? Spätestens in diesem Moment holen Sie vielleicht Zweifel ein, wenn Sie an Ihre Eltern denken. Dabei ist es sehr verständlich, wenn deren Trennung Sie in Ihrer gegenwärtigen Wahrnehmung und Ihrem Denken stark beeinflusst. Auch wenn Sie Ihren Eltern sehr nahestehen, ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass Sie Ihr eigenes Leben leben; gerade auch im Hinblick auf die Liebe. Stellen Sie sich vor, ein Kind würde für Tage entmutigt stehen bleiben, nur weil ein Anderes gerade zu Boden stürzt. Nur wenn es weitergeht, macht es die positive Erfahrung, dass es Laufen kann. Es kann sogar das gestürzte Kind ermutigen, aufzustehen und weiterzugehen. Ihm jedoch den Schmerz abnehmen, kann es nicht, so wie auch Sie Ihrer Mutter den Trennungsschmerz letztendlich nicht abnehmen können. Bedenken Sie dies in Ihrer gegenwärtigen Situation und überfordern Sie sich, was Ihre Mutter anbelangt, nicht selbst. Schauen Sie auf sich, das Leben wartet bereits auf Sie!

Dieser Artikel ist erschienen im Stadt-Anzeiger Opfikon Glattbrugg
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