Vor zwei Wochen habe ich meine Anstellung als Koch verloren, was mich völlig aus der Bahn geworfen hat. Ich hatte stets Freude in meinem Beruf. Meine Partnerin versucht zwar, mich zu ermutigen, doch ich bin im Moment einfach verzweifelt. Das Schlimmste wäre für mich, wenn unsere beiden Söhne (8 und 10 Jahre) erfahren, dass Papi arbeitslos ist. Ich verlasse daher wie gewohnt das Haus und kehre erst spätabends zurück, so dass die beiden nichts merken. Meine Partnerin bat mich schon öfter darum, den Kindern offen zu sagen, was los ist. Doch ich bin blockiert.
Sie haben Ihre Arbeitsstelle verloren, welche Ihnen viel bedeutet hat. Ich kann gut nachvollziehen, dass dieser Verlust sehr schmerzhaft für Sie ist. Mit Ihrer Arbeit haben Sie gleichzeitig ein Stück Lebenssinn, Erfüllung und Anerkennung verloren. Gleichzeitig empfinden Sie Ihren Kindern gegenüber Schamgefühle, da Sie aus Ihrer Sicht gegenwärtig nicht das Vorbild sein können, wie Sie es gerne wären. Vielleicht haben Sie bereits früh gelernt, dass Leistung im Leben sehr bedeutsam ist. Ein Wert, der auch in unserer Gesellschaft hochsteht.
Gerade jetzt, wo das Schicksal Sie vor Herausforderungen stellt, taucht die Frage auf: Was möchten Sie Ihren Kindern vermitteln? Abgesehen davon, dass Ihre Kinder früher oder später herausfinden, dass Papa nicht mehr arbeitet, sollten Sie die Situation nützen: Fassen Sie sich ein Herz und muten Sie Ihren Kindern die Wahrheit zu. Erzählen Sie dosiert, wie es Ihnen im Moment geht. Es wäre gut, wenn auch Ihre Partnerin bei dem Gespräch dabei ist. Wenn es Ihnen im Moment schwerfällt, Hoffnung zu haben, könnte Ihre Partnerin diese Perspektive einbringen. Es wird vermutlich eine prägende Erfahrung für Ihre Kinder sein, die sie später selbst in schwierigen Situationen ermutigt: „Mein Vater hat offen geredet und es damals geschafft, hoffnungsvoll weiterzugehen, auch wenn es schwierig war“. Diese Hoffnung wünsche ich Ihnen. Wie gut, dass Sie von Ihrer Partnerin darin bestärkt werden. Kommen Sie beide an Ihre Grenzen, so rate ich zu professioneller Unterstützung.
Werner Klumpp, Paarberatung und Mediation, Kanton Zürich, Beratungsstelle Bülach
Dieser Artikel erschien am 25.11.2021 im Stadtanzeiger Opfikon-Glattbrugg.