Wir haben zwei Kinder im Alter von 8 und 10 und sind verheiratet. Seit Corona ging es abwärts. Mein Mann ist seit langem im Homeoffice, beruflich war es für ihn nicht einfach, er hatte Probleme mit dem Chef. Mein Mann hatte schon früher manchmal Ausbrüche. Jetzt beschimpft er mich ständig, teilweise mit üblen Worten, wegen jeder Kleinigkeit, und das auch vor den Kindern. Ich versuchte, alles so zu machen wie er es möchte, aber es hat nichts genützt, im Gegenteil, es ist schlimmer geworden. Ich weiss nicht mehr, wie ich mich verhalten soll. Eigentlich möchte ich keine Trennung, aber so geht es auch nicht mehr.
Aus Ihren Zeilen spricht Verständnis für Ihren Mann, welcher während Corona keine einfache berufliche Situation hatte. Sie haben vorausschauend darauf geachtet, mögliche Konflikte zu umgehen. Sie haben Ihr Verhalten an die Wünsche Ihres Mannes angepasst um möglichst keinen Grund zur Reklamation zu verursachen. Es hat nichts genützt. Im Gegenteil, Sie erleben mehr Beschimpfung und Abwertung als zuvor. Könnte es sein, dass das Selbstbewusstsein es Ihres Mannes in den vergangenen Monaten aufgrund der beruflichen Schwierigkeiten gesunken ist? Oder dass ihm das ihn die Arbeitssituation im Homeoffice überfordert hat? Dass das Schimpfen Zeichen für eine grosse Verzweiflung sein könnte? Vielleicht wäre es eine Möglichkeit, Ihrem Mann in einem angekündigten Gespräch in Ruhe zu sagen dass Sie sich Sorgen machen um ihn. In einem gemeinsamen Gespräch könnten Sie ihn fragen, ob er sich vorstellen kann, wie Sie sich fühlen, wenn er sie so beschimpft. Legen Sie ihm dar, welche Gefühle Sie haben wenn er Sie verbal attackiert. Dann kann Ihr Mann Sie als Gegenüber mit dem Bedürfnis nach Wertschätzung und anständigem Umgang wahrnehmen. Ein Gegenüber, das sich nicht möglichst unsichtbar macht, sondern Einfühlung und Unterstützung anbietet und gleichzeitig auch klare Grenzen setzt. Sie geben ihm die Botschaft, dass er Ihnen als Ehemann nach wie vor lieb ist, Sie aber seinen Umgangston und die Beschimpfung nicht mehr tolerieren wollen in Zukunft. Falls Sie die Kraft für ein solches Gespräch nicht mehr haben oder darin keinen Sinn sehen, sollten Sie sich schützen vor weiteren Beschimpfungen, indem Sie eine vorübergehende räumliche Trennung ins Auge fassen. Auch die Kinder leiden vermutlich unter der Situation. Es könnte einfacher sein, die Auseinandersetzung mit Ihrem Mann zu führen, wenn Sie etwas mehr Abstand haben. Manchmal ist Distanz nötig, damit man wieder zueinander finden kann.
Salome Roesch, Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich, Beratungsstelle Wetzikon
Dieser Artikel wurde am 02.09.21 im Stadtanzeiger Opfikon-Glattbrugg veröffentlich.